Liebe Juni-Menschen,

wir haben einen neuen Bundespräsidenten (knapp), Opel ist gerettet (vorläufig) und nach Berlin kommen immer noch 12 Millionen Menschen im Jahr – zum Gucken und sparen, denn nirgendwo in Deutschland kann man so schick urban arm sein wie in der Bundeshauptstadt. Der Karneval der Kulturen hat es wieder vorgemacht – Berlin ist Partymeile Nummer eins in Deutschland und der feierfreudige Klaus Wowereit zu Recht der erste Bürgermeister.

Allet schick, wa?

Am 7. Juni wird für das Europaparlament gewählt. Die Europawahl ist das Stiefkind aller Wahlgänge. Zu fremd erscheint uns dieses scheinbar zahnlose Parlament, zu chaotisch mit seinen vielen Sprachen und den Abgeordneten aus mittlerweile 27 Mitgliedsländern, die kaum jemand aufzuzählen weiß. Brüssel ist weit weg – jedenfalls aus der Berliner Perspektive.

Der Berliner als solcher bleibt gerne in seinem Kiez, die Ostler fahren nie zum Ku’damm, die Westler kaum je nach Friedrichshain oder gar Pankow.Wie soll man sich da für Europa begeistern?

Europa kennen die meisten Menschen nur als Ort, an dem allen Ernstes über den Krümmungsgrad von Salatgurken beschlossen wird und man (angeblich) nachdenkt, ob man durch das Zusammenschütten von Weißwein und Rotwein nicht auch einen passablen Rosé erhält, den man dann auch als solchen deklarieren könnte. Wahrscheinlich hatten sich die beteiligten Fachpolitiker einiges an Rot- und Weißwein gegönnt und sind dann zu dem Schluss gekommen, dass sich das Gemisch im Bauch genauso anfühlt, wie der reine Roséwein im Vergleichstest. Na also – da sag noch einmal einer, dass die Brüsseler Technokraten solche seien und am Verbraucher vorbei ihre Entscheidungen träfen.

Jetzt wird die verbraucherorientierte Werbung gegen das Rauchen verstärkt.  In einem Spot küsste ein Teenagermädchen jedes Mal einen Jungen, wenn ihr eine Zigarette angeboten wird. Da ist es natürlich gut, dass sie das Rauchen gar nicht erst anfängt, da Rauchen in der Schwangerschaft extrem schädlich ist und sie außerdem mit ihrem Herpes genug zu tun haben dürfte.

Es soll künftig sogar Fotos mit schlimmen Krankheiten als visuellen Abschreckung geben. Das kann aber nur der erste Schritt sein. Auf Bockwürste muss ein Bild von fettleibigen Menschen, auf alkoholhaltige Getränke Fotos von Schrumpflebern. Auf Autoarmaturen müssen Aufkleber mit schrecklichen Unfallfotos, damit die Fahrer immer wissen, in welche Gefahr sie sich und andere bringen.

Es gibt also viel zu tun. Bei der Europawahl haben wieder wir Wähler das Wort. Deshalb: Liebe Leserinnen und Leser – gehen Sie am 7. Juni unbedingt zur Europawahl, damit die richtigen Leute in Brüssel ans Ruder kommen. Bitte wählen Sie Weinliebhaber – BITTE! Das freut dann nicht nur die Salatgurken.

Bei der Bundespräsidentenwahl hatten die Wähler nur sehr indirekt das Wort. Viele waren enttäuscht, dass die blitzgescheite Gesine Schwan es nicht wurde, sondern der etwas tröge wirkende Technokrat Horst Köhler. Der musste schon seiner Frau danken, um menschlich zu wirken, aber jeder ist anders und nach Rousseau hat Deutschland wieder den Präsidenten den es verdient.

In diesem Juni befasst sich der Kommentar mit Opel und Rauch, es gibt Tipps für die Momente im Leben, wenn die Dinge nicht nur ein Geschmäckle haben sondern vielleicht sogar zum Himmel stinken und das Gedicht ist vom großen Meister - Erich Kästner!

Ich wünsche bei der Lektüre viel Vergnügen und einen schönen Juni.

Herzliche Grüße

Ihre

Helene Mierscheid