juni_kommentar

Angela Merkel weiß was sie tut. Das unterscheidet sie prinzipiell von einigen ihrer Amtsvorgänger, die häufiger von Hormonen denn von Gedanken gesteuert zu sein schienen.
Angela Merkel hat es seit Beginn ihrer politischen Laufbahn immer wieder verstanden, ihre Kontrahenten in geschickten Manövern gegeneinander auszuspielen. Gut, das geht bisweilen auf Kosten ihrer Kraftressourcen, die sie ja eigentlich besser zum Lösen von Problemen einsetzten sollte, aber das hat noch kein Politiker wirklich gerne getan.
Sie macht im Ausland „bella figura“ und hatte vor allem mit Jacques Chirac ein so inniges Verhältnis, dass man nach seinem Rückzug annehmen darf, dass die eine oder andere Träne ins Kanzlerinnenkissen geweint worden sein dürfte.
Aber hier soll ja nicht dem dummen Männerdenken das Wort geredet werden, dass Frauen zu emotional seien. Das ist Frau Merkel sicherlich nicht, aber wo wahre Sympathie mitschwingt, menschelt es halt auch.

Beim bevorstehenden G-8-Gipfel kann man den Teilnehmern nur wünschen, dass sich alle sehr sympathisch sind, denn aus dem Weg gehen ist in dieser Hotelburg nicht drin – und das ist wörtlich zu nehmen, dann draußen gibt es ja nicht.
Da gibt es auch keine heimlichen Strandspaziergänge, jedenfalls nicht ohne Grosseinsatz von Hundertschaften, tieffliegenden Aufklärungsflugzeugen und  in Alarmbereitschaft versetzen U-Booten. Das kann einen ruhigen Spaziergang echt vermiesen!

Wer also von Politikseite den Versuch wagen sollte, seine Extremitäten in die Ostsee zu stecken, könnte eine böse Überraschung erleben.  Da würden mehr Augen aus dem Wasser schauen als hinein.
Aber da hat die Gipfel-Regie sicherlich ganze Arbeit geleistet und die anwesenden Spitzenpolitiker in ein Terminkorsett gesteckt, dass maximal ein Händewaschen zwischen den Sitzungen erlauben wird – und auch das nur zu festgelegten Zeiten.
Da wird nur der entspannt rauskommen, der gelernt hat, alle Körperfunktionen zu kontrollieren.

Wahrscheinlich ist Angela Merkel auch ein heimliches Mitglied bei Attac. Heiner Geissler ist den Weg ja jetzt vorgegangen und macht dabei eine deutlich glaubwürdigere Figur als Oscar Lafontaine bei der WASG – was nicht schwer ist.
Nun kann man gegen die Globalisierung sein, man kann auch gegen Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter sein.
Wenn sich tausende gut meinender Demonstranten und die paar hundert nicht gut meinender Idioten in Heiligendamm treffen werden, wird es denen vor dem Stacheldraht genauso gegen wie denen dahinter.
Egal was sie machen, es wird sich an der Lage der Ärmsten in der Welt nichts ändern.
Politik ist leider nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Abgesehen davon, dass die Demonstrationen bei dem Gipfel selber viel zu spät kommen, weil die Entscheidungen, die auf dem Gipfel getroffen werden, ja schon vorher vorbereitet wurden, werden sich auch die Politiker hinter dem Zaun fragen, was sie eigentlich wirklich tun können, um die Not in den armen Ländern zu mildern.
Autos von Nachbarn abzufackeln wird in den armen Regionen Afrikas jedenfalls keinem Kind die Essensschüssel füllen.

Aber Angela Merkel geht in ihrer Regie psychologisch geschickt vor. Dass sie nun schon zum zweiten Mal Heiligendamm als idealen Ort für ein so hochkarätiges Treffen auswählt beweist ihr Geschick.
Die Politiker und ihrer Mitarbeiter werden sich auch diesmal fühlen wie afrikanische Flüchtlinge an Spaniens Stränden. Sie werden sich fühlen, wie die DDR – nur halt wie eine ganz kleine DDR mit Luxussuiten.
Nicht wegzudürfen ist eine sublime Nachricht, die bei vielen Gästen einen tieferen Eindruck hinterlassen dürfte als alle Dossiers und Resolutionen zusammen.
Und da – das muss man unserer Kanzlerin lassen – weiß sie einfach, wie sie mit ihren männlichen Kollegen umzugehen hat: „learning by feeling!“

Vielleicht ist sie ja doch heimlich Mitglied bei Attac?